Montag, 13. August 2012

Folge 4: Das Ende von Model T – der Beginn des Design


Das Ende von Model T – der Beginn des Design

Fords Erfolgsmodel T war seit seinem Erscheinen 1908 nicht zu stoppen. Die Konkurrenz verzweifelte. Ford expandierte nach Europa und die Europäer pilgerten nach Dearborn, um zu sehen, wie man erfolgreich Autos am Fließband produzierte. Doch dann geschah etwas Erstaunliches: 1925 stagnierten die Verkäufe von Model T und gingen dann dramatisch zurück. Gleichzeitig hatte der neue Vorstandsvorsitzende von Fords Erzrivalen General Motors, Alfred P. Sloan, einen raffinierten Plan: Offensichtlich reichte den Amerikanern die Funktionalität von Model T nicht mehr; sie wollten zusätzlich Modernität, Glam, Status – und zwar ablesbar über die Form ihres Autos. Das wollte GM ihnen geben, abgestuft in einer hierarchischen Markenpyramide und innerhalb jeder Marke breit aufgestellt (GM war als Zusammenschluss verschiedener Hersteller und Marken entstanden). Jetzt brauchte Sloan nur noch jemanden, der das Erscheinungsbild, den Look jeder Marke und des Gesamtkonzerns definierte – er brauchte einen Designer!

Harley Earl am Steuer des von ihm designten LaSalle von 1927 (GM Corp.)

Der Vater des Automobil-Design: Harley Earl
1927 hatte er ihn gefunden: Harley Earl. Earls Vater hatte in Los Angeles einen großen Karosseriebetrieb aufgebaut, der auch für Hollywoodstars entwarf und produzierte. Harley Earl folgte dem Ruf in die Motor City und baute die legendäre Abteilung »Art and Colour Section« auf, die Urform jeder Designabteilung. Earl war ein Genie: Er war visionär, hatte ein Gespür für Trends, konnte zeichnen, delegieren, verstand die Ingenieure und konnte seine Ideen dem Vorstand verkaufen. Der erste Wagen, der nach seinen Ideen produziert wurde, war der Cadillac La Salle von 1927, mit fast 30.000 verkauften Einheiten ein großer Erfolg. Von da an trug jeder Wagen, der bis 1959 die Werke von GM verließ, den Stempel von Harley Earl, der sich von Anfang an ein Mitspracherecht bei jedem neuen Modell hatte zusichern lassen.

Der zweite Vater des Design: Raymond Loewy
Auf Harley Earl werden wir hier noch häufig zu sprechen kommen. Es gibt jedoch noch einen zweiten Urvater des Design, der nahezu zeitgleich seine Karriere in den Vereinigten Staaten beginnt und den Beruf des Industrial Designers überhaupt erst etabliert: Raymond Loewy. Loewy war nach dem ersten Weltkrieg von Frankreich in die USA ausgewandert und arbeitete erfolgreich als Grafiker. 1928 bekam er den ersten Auftrag für ein Produktdesign: Er sollte ein Vervielfältigungsgerät in eine neue, attraktive Form bringen. Mit Hilfe von Ton modellierte er eine neue Form um die vorhandene Technik herum. Auch Earl hatte bereits mit Tonmodellen gearbeitet und führte diese Technik als Standard in das Automobildesign ein. Beide, Earl und Loewy, begründeten den Vorsprung Amerikas in der industriellen Formgestaltung; beide schufen Berufsverbände, Regelwerke, Ausbildungsinhalte und bauten große Design-Abteilungen auf, die in der Lage waren, gleichzeitig mehrere Projekte abzuwickeln. Bis Loewy jedoch Autos designte, verging noch über ein Jahrzehnt.

Das erste Industrie-Design von Raymond Loewy: kein Auto, sondern ein Kopierer, 1929 (Archiv Autor)

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