Design im
British Empire, Teil 1
Klassenbewusstsein
auf vier Rädern
Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten britische Automobile
teilweise als schnell, teilweise als luxuriös, teilweise als sportlich
gegolten, gestalterisch waren sie nicht weiter aufgefallen. Aufregende Designs
für Bentleys oder Rolls kamen von französischen Karrossiers; die automobile
Form wurde erst ab 1950 als Argument am Markt erkannt.
Es war vor allem die Marke Jaguar, die bewies, dass das
Design eines Autos – vorausgesetzt die Technik hielt mit – entscheidend am
Erfolg beteiligt war. Die Limousinen zeichnete der Gründer William Lyons
selbst, die Sportwagen entwarf der Aerodynamiker Malcolm Sayer, der nach dem
Krieg aus der Luftfahrtindustrie zu Jaguar gekommen war. Der XK 120 von 1948,
die Rennwagen C- und D-Type, vor allem aber der XK-E von 1961 machten Jaguar zu
einer festen Größe der britischen Automobilindustrie. Gemessen an anderen
Oberklasse-Limousinen waren die auch sportlicheren Jaguar-Saloons stilistisch
bis 1963 weit vorne.
Vom Oberhaus in
die Vorstädte
Rover war neben Ford England bis in die 1960er Jahre einer
von zwei Herstellern mit einer Designabteilung, die klein, aber fein war. David
Bache hatte mit dem Rover P5 eine repräsentative Limousine gezeichnet, die
englische Werte mit amerikanischen Einflüssen (Chrysler 300) vermischte. 1963
lieferte er mit dem P6 eine moderne Mittelklasse-Limousine ab, die 14 Jahre
lang nahezu ohne Retusche in Produktion blieb.
Für die viel größere Austin-Gruppe spielte Design eine untergeordnete Rolle. Der Italiener Ricardo Burzi war Ende der 1920er Jahre auf Empfehlung von Vincenzo Lancia zu Austin gekommen und entwarf plumpe, knubbelige Modelle. Als man damit ab 1957
nicht weiter kam, beauftragte man – wen sonst? – Pininfarina, der für viele Jahre Austins
Hausdesigner blieb. Der A40 Farina brachte italienisches Flair ins Reich des
Nebels.
Austins ewiger Rivale war Triumph-Standard.
Auch hier suchte man Ende der Fünfzigerjahre nach neuen Lösungen, doch eine
eigene Designabteilung gab es nicht. Da Pininfarina bereits gebucht war, blieb
nur der Weg zum Konkurrenten Michelotti. Dieser entwarf zwischen 1957 und '77
alle Triumph-Modelle wie den Herald, den TR4, den 2000 und den Spitfire.
Design
ohne Gestaltung?
Was ist eigentlich, wenn ein Auto vor allem
seiner Form wegen geliebt und verehrt wird, diese Form aber nicht im
klassischen Sinn »designt« wurde, sondern von einem Konstrukteur bzw. Ingenieur
um die Technik herum »gefummelt« wurde? Natürlich sprechen wir auch hier von
Design, denn das Objekt bzw. Produkt hat ja eine Gebrauchsform. Dem Erfinder
des Austin Mini, Alec Issigonis, war Design suspekt. Er glaubte an die
Überzeugungskraft der guten technischen Lösung, was ihm beim Mini auch gelang.
Seine frühen Skizzen zum Mini zeigen auch, dass er von Anfang an eine Vorstellung
der Karosserieform hatte, auf die Ausarbeitung von gestalterischen Details, ja
gar eine Ausschmückung verzichtete er ganz bewusst. So gelangte der Mini in die
paradoxe Situation, innerhalb weniger Jahre nach seinem Erscheinen 1958 zu
einem Zeichen von Modernität, Hipness, Swinging London etc. zu werden, obwohl
er konstruiert und nicht designt worden war. Heute gilt er als Design-Ikone ...
Das Elend der britischen Autoindustrie lag
noch in weiter Ferne – doch der Verzicht auf technische und gestalterische
Weiterentwicklung begann bereits Mitte der 1960er Jahre.
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