Turin und
Detroit
Die italienischen Carrozzerie hatten sich bereits in den
1930er Jahren mit ihren Entwürfen für Luxusautos und für Sportwagen weltweit
Anerkennung verschafft. Die amerikanischen Hersteller glänzten mit Massenware und
Chrom. Zwei verschiedene Welten? Ja und nein. Denn Turin und Detroit arbeiteten
viel enger zusammen, als man denkt.
Fließband gegen
Handarbeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Europa in Trümmern, für
Luxusautos und Rennwagen war der Bedarf extrem geschrumpft. Es ging um
Massenmotorisierung auf zwei und auf vier Rädern. Massenmotorisierung bedeutete
aber Fließband und Standardisierung – beides die Todfeinde der italienischen
Karosseriebetriebe mit Handarbeit. Die größten von ihnen, Bertone, Ghia, Pininfarina
und Touring, suchten sehr früh internationale Kontakte, denn die italienische
Autoindustrie allein war zu klein, um alle Stylingstudios zu ernähren. Harley
Earl schätzte Battista Pininfarina sehr, traf ihn einige Male auf Auto Shows.
Daraus entstanden Kontakte zu GM, vor allem aber zu Nash, für die die Italiener
»Hausschneider« wurden und Nash zu einem Trendsetter machten. Pininfarina war
bereits in den 1920er Jahren in den USA gereist, um sich bei Ford über die
aktuellen Trends zu informieren.
Der 1951 (!) von Pininfarina designte Nash Ambassador blieb ein futuristischer Prototyp (Archiv) |
Concept Cars aus
Turin
Schon 1949 hatte Virgil Exner, der spätere Designchef von
Chrysler, die Zusammenarbeit mit Turin forciert und erarbeitete mit der
Carrozzeria Ghia sowohl Concept Cars wie die berühmten »Gilda« und »Dart« als
auch Serienmodelle. Es war aber nicht nur der Stil, mit dem die Italiener
punkteten – sie waren außerdem exzellente Handwerker und viel günstiger als die
amerikanischen Karosseriebauer, von denen es im Zuge der Standardisierung und
Rationalisierung immer weniger gab. Selbst die Verschiffung der Chassis
eingerechnet, war es billiger, Concept Cars und Showcars in Italien aufbauen zu
lassen und dann nach Detroit zurück zu schicken, als sie von US-Betrieben vor
Ort bauen zu lassen.
Gilda von 1955 war eine Zusammenarbeit von Chrysler mit Ghia und eine
Reverenz an die Schauspielerin Rita Hayworth in dem gleichnamigen Film
(Chrysler Corp.)
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Exportschlager
Stil
Dennoch
war es für einige italienische Carrozzerie nicht leicht, das Überleben zu
sichern – Bertone stand trotz Arbeiten für Alfa Romeo 1952 kurz vor der Pleite
und wurde durch einen Auftrag für den amerikanischen Geschäftsmann »Wacky«
Arnolt gerettet (der Arnolt-Bristol bekam eine Bertone-Karosserie). Italiens
großer Exportschlager in den 1950er Jahren war aber der Stil bzw. das
italienische Design. Der nächste Schritt für die Turiner Studios war daher,
eigene Produktionslinien aufzubauen, auf denen sie Serien für die großen
Hersteller bauten – eine frühe Form des Outsourcing. Kleinere Firmen versuchten
sich als reine Stylingstudios zu profilieren oder bauten Kleinstserien in
Handarbeit für Ferrari, Maserati oder Alfa Romeo: Vignale, Zagato, Frua,
Michelotti, Nachdem Mitte der 1950er Jahre Europa wieder prosperierte, kam das
auch der Automobilindustrie zu Gute – der Absatz zog an. Da die meisten
europäischen Hersteller noch keine eigene Stylingabteilung besaßen, kaufte man
sich die Expertise und den Stil der Italiener ein – der Beginn des Siegeszugs
der »Scuola Italiana« im Automobildesign und die europäische Antwort auf den
Chrombarock der Amerikaner. Bis Ende der 1960er Jahre sollte das so bleiben.
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