Ist
Automobildesign männlich?
Die Frauen in
den Studios
Wer die Namenslisten der Design- und Stylingstudios
durchgeht, stößt selten auf weibliche Designer. Woher kommt das? Als das
Automobildesign begann, eine eigene professionelle Branche zu werden, schienen
sich nur Jungs für diesen Beruf zu begeistern. Die Talent- und
Ausbildungswettbewerbe der „Großen Drei“ (GM, Ford, Chrysler) richteten sich
dezidiert an junge Männer. In den späten 1930er Jahren erkannte die
Marktforschung, dass die Entscheidung zum Autokauf in großem Umfang von Frauen
mitbestimmt wurde. Ihnen musste der Wagen genauso gefallen wie dem Mann. So kam
man auf eine interessante Teilung: Exterior Design wurde von Männern für Männer
gemacht. Sozialprestige, Status, Posing – das musste vom Karosseriedesign
befriedigt werden. Innen jedoch musste der Wagen vor allem den Frauen gefallen:
Sitzbezüge, Ausstattungsdetails, Schalter, Gadgets – das war die weibliche Seite des Automobils..
Der 1941er Modelljahrgang von Hudson war in vielen Details von Betty Thatcher-Oros designt worden. |
Die erste: Betty
Thatcher
Der Wettbewerb auf dem amerikanischen Markt
zwang vor allem die kleineren US-Hersteller, andere Wege zu gehen als die
Großen. Hudson wollte es zu Beginn der 1940er Jahre der Konkurrenz zeigen, indem man für das Exterior Design bekannte Designer verpflichtete. Außerdem sollten die Interiors von einer Frau für Frauen gestaltet werden. 1939 kam die gerade zur Industriedesignerin graduierte Betty Thatcher zu Hudson, um die
Modelljahrgänge 1940/41 zu designen. Bei Hudson lernte sie ihren Mann, den Designer Joe
Oros kennen. Als dieser zu GM und später zu Ford wechselte, kündigte Betty Thatcher-Oros ihren Hudson-Vertrag, um
Konkurrenzkonflikten aus dem Weg zu gehen.
Der
erste weibliche Stardesigner: Helene Rother
Die Deutsch-Französin Helene Rother schaffte etwas,
was 1943 vollkommen ungewöhnlich war: Sie wurde Designerin bei GM. Doch nicht
nur das: Die 1940 aus dem von den Nazis besetzten Frankreich mit ihrer 7-jährigen
Tochter geflohene Rother gehörte außerdem zu den bestbezahlten Designern
überhaupt. Sie verdiente 1945 monatlich $ 600, die meisten ihrer Kollegen nur
etwa $ 200. 1947 machte sie sich erneut als Industriedesignerin selbständig und
entwarf für verschiedene Hersteller Interieurs und Polsterstoffe. Nash, neben
Studebaker der letzte verbliebene kleinere Hersteller, verpflichtete Rother von
1949 bis 1954 für die Innenausstattung und warb mit dem Slogan »Styling von
Pininfarina, Innenausstattung von Madame Helene Rother, Paris«.
GM-Designchef Harley Earl mit dem ersten rein weiblichen Designteam der Automobilindustrie, um 1956. Die "Kacheln" an der Wand sind Farbmuster. (Foto GM Corp.) |
GM
macht Ernst: Die erste weibliche Designabteilung
Der erste Designchef von GM, Harley Earl,
galt als Rabauke: Er fluchte, trank, machte Mitarbeiter gerne einen
Kopf kürzer und galt als extrem launisch. Aber er war auch ein extrem wacher
Mensch, der Trends sofort aufspürte und dann durchsetzte, was er für notwendig
hielt. 1955 krempelte er die Abteilung Interior Design um und besetzte ein Team
nur mit Frauen. In der Presse firmierten die sechs Designerinnen im damaligen
Jargon als die »Damsels of Design«, was etwa so seriös klingt wie das
berüchtigte »Fräulein vom Amt«. Suzanne
Vanderbilt, Marjorie Ford, Ruth Glennie, Sandra Longyear, Peggy Sauer und Jeanette
Linder erarbeiteten komplette Zukunftsinterieurs für Automobile und Wohnungen,
die man sich damals vor allem ferngesteuert vorstellte. 1961 schied Harley Earl
als Designchef von GM aus. Sein Nachfolger Bill Mitchell hatte vieles mit Earl
gemein, nur nicht die Experimentierfreude. 1963 löste er die Abteilung auf. Er
war als Chauvinist überzeugt, dass nur Männer Autos entwerfen können.
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