Montag, 27. August 2012

Folge 14: Ist Automobildesign männlich?


Ist Automobildesign männlich?
Die Frauen in den Studios

Wer die Namenslisten der Design- und Stylingstudios durchgeht, stößt selten auf weibliche Designer. Woher kommt das? Als das Automobildesign begann, eine eigene professionelle Branche zu werden, schienen sich nur Jungs für diesen Beruf zu begeistern. Die Talent- und Ausbildungswettbewerbe der „Großen Drei“ (GM, Ford, Chrysler) richteten sich dezidiert an junge Männer. In den späten 1930er Jahren erkannte die Marktforschung, dass die Entscheidung zum Autokauf in großem Umfang von Frauen mitbestimmt wurde. Ihnen musste der Wagen genauso gefallen wie dem Mann. So kam man auf eine interessante Teilung: Exterior Design wurde von Männern für Männer gemacht. Sozialprestige, Status, Posing – das musste vom Karosseriedesign befriedigt werden. Innen jedoch musste der Wagen vor allem den Frauen gefallen: Sitzbezüge, Ausstattungsdetails, Schalter, Gadgets – das war die weibliche Seite des Automobils..

Der 1941er Modelljahrgang von Hudson war in vielen Details von Betty Thatcher-Oros designt worden.
 Die erste: Betty Thatcher
Der Wettbewerb auf dem amerikanischen Markt zwang vor allem die kleineren US-Hersteller, andere Wege zu gehen als die Großen. Hudson wollte es zu Beginn der 1940er Jahre der Konkurrenz zeigen, indem man für das Exterior Design bekannte Designer verpflichtete. Außerdem sollten die Interiors von einer Frau für Frauen gestaltet werden. 1939 kam die gerade zur Industriedesignerin graduierte Betty Thatcher zu Hudson, um die Modelljahrgänge 1940/41 zu designen. Bei Hudson lernte sie ihren Mann, den Designer Joe Oros kennen. Als dieser zu GM und später zu Ford wechselte, kündigte Betty Thatcher-Oros ihren Hudson-Vertrag, um Konkurrenzkonflikten aus dem Weg zu gehen.


Helene Rother, aus Leipzig stammend, hatte in Hamburg und Dessau (Bauhaus) studiert, war dann nach Paris gegangen und dort als Designerin sehr erfolgreich. 1940 floh sie über Casablanca in die USA. (Foto Wikipedia)
Der erste weibliche Stardesigner: Helene Rother
Die Deutsch-Französin Helene Rother schaffte etwas, was 1943 vollkommen ungewöhnlich war: Sie wurde Designerin bei GM. Doch nicht nur das: Die 1940 aus dem von den Nazis besetzten Frankreich mit ihrer 7-jährigen Tochter geflohene Rother gehörte außerdem zu den bestbezahlten Designern überhaupt. Sie verdiente 1945 monatlich $ 600, die meisten ihrer Kollegen nur etwa $ 200. 1947 machte sie sich erneut als Industriedesignerin selbständig und entwarf für verschiedene Hersteller Interieurs und Polsterstoffe. Nash, neben Studebaker der letzte verbliebene kleinere Hersteller, verpflichtete Rother von 1949 bis 1954 für die Innenausstattung und warb mit dem Slogan »Styling von Pininfarina, Innenausstattung von Madame Helene Rother, Paris«.

GM-Designchef Harley Earl mit dem ersten rein weiblichen Designteam der Automobilindustrie, um 1956. Die "Kacheln" an der Wand sind Farbmuster. (Foto GM Corp.)
 GM macht Ernst: Die erste weibliche Designabteilung
Der erste Designchef von GM, Harley Earl, galt als Rabauke: Er fluchte, trank, machte Mitarbeiter gerne einen Kopf kürzer und galt als extrem launisch. Aber er war auch ein extrem wacher Mensch, der Trends sofort aufspürte und dann durchsetzte, was er für notwendig hielt. 1955 krempelte er die Abteilung Interior Design um und besetzte ein Team nur mit Frauen. In der Presse firmierten die sechs Designerinnen im damaligen Jargon als die »Damsels of Design«, was etwa so seriös klingt wie das berüchtigte »Fräulein vom Amt«. Suzanne Vanderbilt, Marjorie Ford, Ruth Glennie, Sandra Longyear, Peggy Sauer und Jeanette Linder erarbeiteten komplette Zukunftsinterieurs für Automobile und Wohnungen, die man sich damals vor allem ferngesteuert vorstellte. 1961 schied Harley Earl als Designchef von GM aus. Sein Nachfolger Bill Mitchell hatte vieles mit Earl gemein, nur nicht die Experimentierfreude. 1963 löste er die Abteilung auf. Er war als Chauvinist überzeugt, dass nur Männer Autos entwerfen können.

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