Montag, 13. August 2012

Folge 9: Exportschlager italienischer Stil


Exportschlager italienischer Stil
Die Scuola Italiana erlangt Weltgeltung

In den 1950er Jahren erholte sich Oberitalien dank Marshall-Plan und europäischem Verbund relativ schnell. Die seit 1933 in Mailand stattfindende Designmesse »Triennale« rückte in den Jahren 1954 und 1957 eine neue Formensprache ins Licht, den »Stil Novo«. Die geschwungenen Formen setzten sich klar vom rechtwinkligen Funktionalismus des Bauhaus, aber auch vom chrombeladenen Streamline-Stil der Amerikaner ab. Italienisches Design war von nun an ein Markenzeichen – auch und gerade im Automobildesign. Europäische und amerikanische Hersteller kooperierten mit den Studios der Scuola Italiana und schmückten sich mit deren Namen: Chrysler, VW, Volvo und Fiat mit Ghia; Nash, GM, Peugeot, Lancia und Austin mit Pininfarina; BMW, Alfa Romeo, Fiat, Simca mit Bertone – von den Sportwagenherstellern gar nicht zu reden.
BMW 501 »Barockengel«: Bewahrung des Vorkriegs-Looks (BMW AG)

50er Jahre: Konstruktion statt Entwurf
Während die amerikanischen Hersteller nahezu ausnahmslos eigene Styling- bzw. Designabteilungen unterhielten, war das Thema Entwurf bei den Europäern nachgeordnet. Kaum einer der größeren Hersteller hatte vor 1960 eine eigene Stylingabteilung – und wenn, dann war sie der Konstruktion untergeordnet. Die Ingenieure hatten das Sagen. Bis in die späten 1950er Jahre hielten viele Hersteller zudem am Vorkriegsgeschmack fest; der BMW 501 »Barockengel«, der 190er und der 300er Mercedes »Adenauer« kamen stilistisch noch aus den späten 1930er Jahren. Um frischen Wind in die Produktpalette zu bringen, beauftragte man externe Studios, in der Mehrzahl die italienischen. Einzelne Designer wie Michelotti oder Frua, vor allem aber die großen Studios wurden zum Entwurfs- und Entwicklungspartner der etablierten Hersteller. Oft standen die hausinternen Stilisten in Konkurrenz zu den externen Entwerfern; gegen den italienischen Stil Novo hatten sie meist keine Chance. 

Lancia Flaminia Coupé von Pininfarina – die Trapezlinie der späten Fünfzigerjahre

Pininfarina
Von den Studios der Scuola Italiana ist keines so einflussreich (und letztlich auch erfolgreich) gewesen wie PininFarina. Battista Farina hatte ein untrügliches Gespür für das Auto der Zukunft: schlank, sachlich, dennoch elegant. Er und seine Designer schufen Kleinwagen, Mittel- und Oberklasselimousinen, Coupés und reinrassige Sportwagen und verhalfen etlichen Marken zu einem Stil, zu einem Gesicht. Auch wenn Bertone, Ghia, Touring, Vignale und Zagato fantastische Entwürfe auf die Straße brachten, niemand war so produktiv und innovativ wie PininFarina. Der Einfluss dieses Studios war von 1946 an bis in die 70er Jahre nur mit GMs Styling Department zu vergleichen. Erst als in den 1970er Jahren nahezu alle Hersteller eigene Designabteilungen eingerichtet hatten und an einem Marken typischen Erscheinungsbild arbeiteten, wurde der Einfluss von Pininfarina, wie die Firma und die Familie ab 1962 offiziell geschrieben wurden, etwas weniger. Auf diese große italienische Designschmiede werden wir noch häufig zu sprechen kommen, denn von Gesamtdesigns bis hin zu Detaillösungen erwies sich Pininfarina als das innovativste Studio.

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